Worte des Monats

 

Nennen wir es „Frühlingslied“

 

In das Dunkel dieser alten, kalten
Tage fällt das erste Sonnenlicht.
Und mein dummes Herz blüht auf, als wüßt es nicht:
Auch der schönste Frühling kann nicht halten,
Was der werdende April verspricht.

 

Da, die Amseln üben schon im Chor,
Aus der Nacht erwacht die Welt zum Leben,
Pans vergessenen Flötenton im Ohr ...
Veilchen tun, als hätt´ es nie zuvor
Laue Luft und blauen Duft gegeben.

 

Die Kastanien zünden feierlich
Ihre weißen Kerzen an. Der Flieder
Bringt die totgesagten Jahre wieder,
Und es ist, als reimten alle Lieder
Sich wie damals auf „Ich liebe dich“.

 

- Sag mir nicht, das sei nur Schall und Rauch!
Denn wer glaubt, der forscht nicht nach Beweisen.
Willig füg ich mich dem alten Brauch,
Ist der Zug der Zeit auch am Entgleisen –
Und wie einst, in diesem Frühjahr auch
Geht mein wintermüdes Herz auf Reisen.


 

Mascha Kaléko

aus

„Die paar leuchtenden Jahre“
Gedichte, Chansons, Lieder

DTV, 3. Auflage 2004
 


 

 

 

 L I T E R A T U R

                            EMPFEHLUNGEN

Während der Pandemie habe ich hier ab und an Bücher hinzugefügt; ggf. mit kurzer Einführung. Mit Schwerpunkt auf den häufig vergessenen Kleinoden - oft mit Bezug auf das Leben mit der Natur im Jahreslauf. Einige davon werden noch nachgedruckt wie die ersten Bücher, andere finden Sie / findet Ihr eher in Bibliotheken oder dem Gebrauchtbuchhandel. In Zeiten eingeschränkter Kontakte und Verunsicherung erschien mir als erstes Buch besonders geeignet:

Christiane Ritter

Eine Frau erlebt die Polarnacht

Mit 8 Aquarellen und 25 Federzeichnungen

Ullstein Sachbuch, 11. Auflage, Frankfurt a.M. 1992

 

Nigel Hinton

Im Herzen des Tals

dtv Verlagsgesellschaft, Reihe Hanser, 15. Auflage 2020

Ein Jahr im Leben der Heckenbraunelle in einem kleinen englischen Tal.

„Hinton beschreibt dieses Leben eines Vogels poetisch, liebevoll, unsentimental und erinnert uns an den Zusammenhang von Mensch, Natur, Tier. Es ist eines der schönsten und liebevollsten Bücher, die ich je gelesen habe.“ Elke Heidenreich im Buchtipp für WDR 2

 

Nicht nur der Frühling, auch der Valentinstag als Tag aller Liebenden naht. Zwei gegensätzliche Liebeserfahrungen - eine als Roman und eine autobiographische Auseinandersetzung mit diesen Erfahrungen in Briefform - , sprachmächtig und spannend geschildert, stelle ich als Nächstes vor:

Birgit Vanderbeke

Alberta empfängt einen Liebhaber

 Piper Verlag, München, Neuauflage 2013

&
 

Marianna Alcoforado

Portugiesische Briefe

Übersetzt von Rainer Maria Rilke

Europäischer Literaturverlag 2011 oder Verlag Dearbooks, 1. Auflage 2012

Die fünf Briefe der beeindruckenden portugiesischen Nonne Marianna Alcoforado erzählen von einer unerfüllten Liebe und Verrat sowie der Auseinandersetzung hiermit, mit der sie sich schließlich aus ihrem Leid befreit. Ihre Sprache wie auch ihre mutige Haltung berühren noch nach über 350 Jahren.

Rilke erfuhr von den Briefen, weil der ehemalige Liebhaber Marianna Alcoforados diese auf Festen zum allgemeinen Amüsement vorgelesen hatte. So gelangten die Briefe in Umlauf und wurden über die Jahrhunderte weitergegeben.

 

Der Engländer Peter Fleming und die Schweizerin Ella Maillart brachen im Februar 1935 zu einer Reise auf, die sie von Peking über die Wüsten - u.a. die berüchtigte Takla Makan - und Sümpfe von Sinkiang und die verschneiten Pässe von Pamir bis ins damals britische Kaschmir führte: Knapp 6000 km in sieben Monaten - per Eisenbahn, Rik- scha, Lastwagen, Maultier oder zu Fuß. "Wir wollten herausfinden, was in Singkiang und in Turkistan los war. Seit acht Jahren hatte niemand diese entlegene Provinz betreten. Es herrschte Bürgerkrieg. ... Außerdem glaubten wir, die Reise würde uns Spaß machen..."

Die spannenden Berichte der Beiden über ihre gemeinsame Reise sind aktuell über den Gebrauchtbüchermarkt erhältlich. Flemings und Maillarts Reiseberichte gehören zu den Klassikern der Reiseliteratur.

Ella Maillart
Verbotene Reise

Heyne Sachbuch, 4. Auflage
Wilhelm Heyne Verlag 1988

&

Peter Fleming
Tatarennachrichten

Vito von Eichborn Verlag
Frankfurt a.M. 1996

 

Trotz des großen Waldsterbens werden auch im Frühjahr wieder Bäume grün. In diese Zeit passt wunderbar ein Band von

Hermann Hesse

Bäume
Betrachtungen und Gedichte

Mit Fotografien von Imme Techentin

insel taschenbuch

Frankfurt a.M.1984

 

Für den Mai habe ich folgenden Band von Mascha Kaléko ausgesucht, welcher u.a. das wunderbare Gedicht Verspätetes Mailied enthält. Des weiteren eine bunte Vielfalt an Gedichten wie auch umfangreiche Informationen zum Leben der Dichterin.


Mascha Kaléko

Die paar leuchtenden Jahre

dtv München © Originalausgabe 12/2003

 

Reisen ist noch nicht immer unbeschwert möglich. Die folgenden Vorschläge habe ich ausgesucht zum Nichtreisenkönnen oder -wollen und den (teils schrulligen) Alternativen hierzu, welche die Romanfiguren für sich gefunden haben, die weitere Leser*innen vielleicht so spannend, manchmal witzig finden wie ich.

Dai Sijie

Balzac und die kleine chinesische Schneiderin

Piper Verlag, München, Auflage 2003

&    

                                              Anne Tyler

                                    Die Reisen des Mr. Leary

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 1991

 

Eine Verknüpfung von Realität und Utopie mit Märchen und Mythen Kirgisiens, eine Parabel vom naiven Menschen in der Konfratation mit der politischen Macht und der Unmenschlichkeit der modernen Technik (aus der Einführung zu diesem Roman in der ersten deutschen Ausgabe 1981) 

Tschingis Aitmatow

Ein Tag länger als ein Leben

Unionsverlag, Zürich 2015
 

 

Deutlich erschwerter als in den letzten Jahren war die Umsetzung der Reiseplanung - und obendrein in der Biedermeierzeit als Sakrileg verurteilt - der wagemutigen, alleinreisenden Ida Pfeiffer im 19. Jahrhundert.

Ida Pfeiffer

Reise in das Heilige Land (1842)

Edition Frauenfahrten
Verlag Promedia, Wien 1995

&

Eine Frau fährt um die Welt (1846)

Edition Frauenfahrten
Verlag Promedia, Wien 1997


 

Seit vielen Jahren begleiten mich auch die Gedichte von Rose Ausländer. Immer wieder beeindrucken sie mich in aller Veränderlichkeit des jahrzehntelangen Wirkens von Frau Ausländer. In der Bandbreite einer Fülle oft bezaubernder wie auch immer wieder verwirrender Passagen habe ich längst noch nicht alles entdeckt.

Die Pandemie ist beendet. Mit diesem Buchvorschlag beende ich diese Reihe.

Rose Ausländer

Treffpunkt der Winde
Gedichte 1979

© Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 1984, 3. Auflage 2002